Nosopolomie
[Kurzgeschichte]
Im neuen Dichtungsring Nr. 64: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut“ ist eine Miniatur von mir mit dem Namen „Nosopolomie“ abgedruckt, ein Dialog über eine erfundene Krankheit. Es freut mich sehr, wieder mit dem Dichtungsring verbunden zu sein, in dessen Redaktion ich einige Jahre war und zum Layouter einer Nummern wurde. Die Präsentation des Heftes war rundum gelungen, und sehr viele spannende Autorinnen und Autoren lasen ihre Werke vor.
Nosopolomie
Variante B (gefährlich)
Personen
Irgendwer (I)
Irgendwer anders (IA)
Set
Wofür braucht diese Unterhaltung ein Set? Jetzt sind wir mal ehrlich, das wäre noch zu viel, wenn man dafür… – aber lassen wir das und konzentrieren uns auf das Spiel.
Spiel
I und IA begegnen sich. Zufällig wäre schon zu viel angedeutet, es ist eher präjudikativ.
I:
Und Sie, mein Herr! Sie wollen allen Ernstes an Nosopolomie leiden! Das ist ja die absolute Höhe! Das kann ich mir bei Ihrer Statur gar nicht vorstellen! Wie bitte erklären Sie sich das!?
IA:
Mein werter Herr! Selten habe ich aus Ihrem Mund etwas Schwachsinnigeres gehört als diesen Unsinn!
I:
Selten ist weit übertrieben! Nie! Sie haben noch nie etwas Schwachsinniges von mir gehört! Also geht der Superlativ schon dreimal nicht durch! Im Gegensatz zu Ihnen denke ich klar, bewege mich korrekt und weise darauf hin, dass ich nicht herumlaufe und jedem erzähle, dass ich Nosopolomie habe! Was ist das überhaupt für ein Wort?!
IA:
Das erscheint mir ein Kunstwort – wie fast alle Wörter in der Medizin! Nur, dass hier klarer Pfusch am Bau – oder besser: mir – vorliegt! Ich kann doch nichts dafür, dass ich an akuter Nosopolomie, Variante B – der gefährlichen – leide! Das habe ich mir nicht ausgesucht! Das wurde mir angetan!
I:
Aber…mein werter Herr! Ich verstehe, dass sie nervös sind! Aber können Sie in irgendeiner Form beschreiben, wie sich diese Form Ihrer Krankheit äußert?
IA:
Es kratzt etwas!
I:
Es kratzt etwas?! Geht es nicht etwas genauer? Wo kratzt es? Wie stark ist das Kratzen? Ist es permanent oder nur ab und an? Oder wenn es warm oder kalt ist?
IA:
Meine Güte! Sind Sie etwa ein Arzt, der an dieser Verschwörung gegen mich beteiligt ist?
I:
Welche Verschwörung? Wovon reden Sie? Und nein, ich bin kein Arzt! Was wollen Sie eigentlich von mir?
IA:
Ich von Ihnen? In Ruhe gelassen werden!
I:
Aber das will ich doch von Ihnen! Nachher sind Sie noch ansteckend!
IA:
Wie kommen Sie darauf?
I:
Na ja! Schauen Sie sich das mal an! Sie laufen hier herum mit einer gefährlichen Variante einer Krankheit, von der Sie nicht einmal wissen, was es ist und wie sie sich äußert – außer, dass sie kratzt! Was soll ich davon halten?
IA:
Sie müssen gar nichts halten. Ich schaffe das schon alleine! Ich habe keine cerebrum fractura, wenn Sie mir das unterstellen wollen!
I:
Sind Sie sicher?
IA:
Sehr sicher!
I:
Aha!
IA:
Aha, was?
I:
Nur Aha, nichts mehr!
IA:
Das gibt es nicht!
I:
Nosopolomie auch nicht!
IA:
Doch! Ich bin der lebende Beweis!
I:
Für eine ärztlich verursachte Umwandlung in eine Jackfruit? Spannend, dass es Sie da nur so ein bisschen kratzt. Mich würde das mehr kratzen. Aber wer bin ich schon, dem das kratzt! Niemand!
IA:
Nicht, dass ich Sie anstecke!
I:
In diesem Fall würde ich Gulaschersatzfleisch aus Ihnen machen. Kann ich nur von abraten.
IA:
Vom Gulaschersatzfleisch?
I:
Davon auch!
Nachdem alles gesagt wurde, gehen beide schweigend auseinander. Nicht, dass es noch ansteckend wird, das Ganze hier.