In der Zwickmühle

In der Zwickmühle

[Kurzgeschichte, veröffentlicht auf #kkl, 2025]

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In der Zwickmühle

Es gibt diese Tage im Leben, an denen sich eine Begebenheit an die andere reiht, von denen man jedoch in dem Moment des Geschehens keine im Kontext seines Lebens versteht. Erst später, in der Rückschau, ergeben sich die Linien, die das Leben zeichnen, und solche Linien werden oft durch diese unvorhergesehenen Ereignisse determiniert.

Die kaputte Kaffeemaschine am Morgen mochte noch ein schwacher, nerviger Hinweis auf einen interessanten Tag sein, doch der Platzregen, der sintflutartig auf mich niederprasselte, als ich exakt in der Mitte zwischen Parkplatz und Büro war, erschien im Nachhinein als Vorzeichen meines ganz persönlichen Harmageddons.

Auf der Arbeit schwankten die Aufgaben im normalen Spektrum des täglichen Wahnsinns, und beim Mittagessen in der Kantine war ich in der Schlange, der gesagt wurde, dass mein Leibgericht ausverkauft sei, sodass ich mich mit einer Portion Nudeln und einer nichtssagenden Sauce vorliebnehmen musste.

Auf dem Weg nach Hause spürte ich die Last der ungelösten Themen und ich gähnte in einer Frequenz, die ich normalerweise nur abends vor dem Fernseher verspürte.

Doch der Schock sollte noch auf mich warten, der mich aus dem geplant ruhigen Abend herausreißen würde. Ich hätte schon misstrauisch werden müssen, als ich nach Hause kam und mir eine Auswahl meiner Lieblingsspeisen serviert wurde, doch meine Denkkapazität war so niedrig, dass ich diesen Umstand nicht kommen sah.

Dummerweise hatte ich just den Bissen eines Mettbrötchens im Mund – vielleicht werde ich nie wieder Mettbrötchen genießen können! –, als mich meine Frau aus heiterem Himmel fragte, ob ich Samenspender für ihre Schwester sein möchte. Wäre der Pfeffer auf dem Mett nicht schon Reizung genug, verschluckte ich mich dermaßen, dass kleinere, zerkaute Bröckchen über den Tisch flogen, um an unterschiedlichen Orten niederzuregnen.

Zunächst einmal stand die Beseitigung dieses Desasters an erster Stelle, doch noch während ich den Tisch säuberte, drang dieser eine Gedanke mit aller Macht in meinen Kopf zurück, was meine Frau wohl mit ihrer Frage beabsichtigte.

Alle Alarmsignale gingen gleichzeitig an, als ich auf die Idee kam, dass es vielleicht nur ein billiger Trick war, um meine Treue zu testen, doch spätestens mit dem zweiten Versuch wurde mir klar, dass die beiden Schwestern sich abgesprochen hatten und es ernst meinten.

Vielerlei Bilder schossen durch meinen Kopf und ich fragte mich, ob ich meine Schwägerin in irgendeiner Form begehrte, doch diesen Gedanken hatte ich tatsächlich noch niemals explizit gehabt. Die nächste Bilderserie brachte mir eine Vorstellung vom Sex mit ihr, doch als mir meine Frau von der Methode der Samenspende berichtete, wurde mir schlagartig klar, dass es kein heißes Stelldichein werden würde, sondern ein durchsichtiger Becher in einem steril wirkenden Raum – woher ich diese Vorstellung besaß – ehrlich, keine Ahnung!

Es würde eine technisch herbeigeführte Schwangerschaft sein, mit einem Kind, das genetisch meins wäre und damit ein Halbgeschwister zu meinen jetzigen Kindern.

Plötzlich reduzierte dieser rein faktische und völlig unromantische Plan die Entscheidung darauf, ob ich mit dieser Familienkonstellation umgehen konnte, und als ich schon fast am Ende meiner argumentativen Reise war, hörte ich mich zustimmen und ahnte, dass mein Unterbewusstsein mal wieder weiter war als ich selbst – und zack, die nächste Linie war gemalt!