Die große Beständigkeit
[Kurzgeschichte, veröffentlicht in Literarische Schokoladenauslese, 2024]
Die große Beständigkeit
Das Herunterschlucken der zusammengekauten, klebrigen Masse war ein Akt der Notwendigkeit, der jedoch mit dem Wissen vonstattenging, dass die Energie, die in dem Schokoriegel gesteckt hatte, vom Körper wohlwollend aufgenommen werden und den Blutzuckerspiegel steigen und Energie freisetzen lassen würde, um die anstehenden Aufgaben der nächsten Stunden erledigen zu können. Wie es bei solchen Genüssen oft der Fall war, verlangte der Körper sofort Nachschub – er war biologisch so programmiert worden, dass es immer weitergehen konnte, solange weitere Nahrung verfügbar erschien. Doch da der Riegel nun aufgegessen war, zerknüllte ich das Papierchen, erfreute mich ein letztes Mal an dem karamelligen Geschmack auf der Zunge und warf die Verpackung in den Müll.
Das Kauen dieser klebrigen Masse, deren feste Struktur durch das Zermalmen der Backenzähne in eine Art Schokoladen-Karamell-Brei verwandelt wurde, angefeuchtet durch den eigenen Speichel, klebte ein bisschen an den Zähnen – der Karamell in der Mitte des Riegels war sicherlich einer der besten natürlichen Kleber, die ich kannte. Zudem war Karamell einer der leckersten Bestandteile eines Schokoriegels, und ich konnte an keinem neuen Schokoriegel im Regal vorbeigehen, ohne ihn zu probieren, wenn er Karamell in seinem Inneren trug. Diesen Riegel hier hatte ich schon sehr oft genossen, und die Vorfreude, die mein Gehirn ausgesandt hatte, wurde vollends bestätigt, dass dieser einer der allerbesten war.
Als die Schneidezähne den Riegel das erste Mal berührten und nur wenige Millisekunden später die Zunge die ersten Rezeptoren aktivierte, durchfuhr mich ein immenses Gefühl der Zufriedenheit, und die Vorfreude auf die Geschmacksexplosion im weiteren Verlauf des Kauens kulminierte in ihrem Höhepunkt.
Der Blick, den ich auf den halb ausgepackten Schokoriegel heftete, erfüllte mich mit einem strahlenden Lächeln, als ich sah, wie feine Rillen auf der Oberfläche des Schokoriegels als eine Art individuelles Muster entlangzogen, und ich stellte mir in meinem Geist vor, dass das die sanften Hügel sind, an denen die Kühe weideten, die die Milch für diesen Riegel gaben. Aber auch die abgerundeten Kanten luden ein, eine Weile in der Fantasie zu verweilen, denn jedes kleine Bisschen des Riegels strömte Harmonie aus und schien meine innersten Gelüste mit sanfter Stimme rufen zu wollen.
Ich spielte mit der Packung des Schokoriegels, den ich soeben gekauft hatte, und wertschätzte die Beständigkeit des Designs, das scheinbar seit meinen Jugendtagen unverändert war – etwas Vertrautes in einer Welt der permanenten Änderung – las ein paar Wörter in die Zutatenliste hinein, ehe ich den Gedanken hatte, dass auch diese Rezeptur vielleicht schon seit Anbeginn der Menschheit … nein, so etwas war unmöglich, und dennoch war es mir, als ob mich dieser Riegel schon mein gesamtes Leben begleitete.
Ich wartete an der Kasse der Tankstelle, an der ich mein Auto vollgemacht hatte, und schaute mir den Menschen vor mir an, der gerade bezahlte. Ich untersuchte seine Kleidung, seine Haltung, und als mein Blick zur Seite fiel, heftete sich mein Blick auf das Regal mit den Schokoriegeln, und sofort startete mein Gehirn Botenstoffe, die mich beeinflussen wollten – und wie fast immer gewannen sie. Als ich an der Reihe war, ging meine Hand wie ferngesteuert nach unten und griff in die bereitliegenden Köstlichkeiten, und indem ich mir einen Schokoladen-Karamell-Riegel nahm, hüpfte mein Belohnungszentrum im Gehirn bereits im Vorfeld des Genusses wie wild herum – Vorfreude war doch die schönste Freude.