Wir, zwei
[Kurzgeschichte. Veröffentlicht in VHS Schreibwettbewerb 2024. 2025]

Wir, zwei
Nach vielen Jahren des engen Zusammenhalts hatte sich unsere Verbindung nach und nach gelöst, erst ein wenig, dann immer schneller, ehe wir auseinanderbrachen und die gemeinsamen Stränge und Verbindungen verloren. Die Ursachen waren relativ schnell gefunden, und wir beide widersprachen auf keinen Fall der These, dass die lange Trockenheit, die sich in unser Umfeld geschlichen hatte, dazu geführt hatte, denn es fehlte schon seit langem an essentiellen Bemühungen, die Umgebung für unsere Verbindung zu verbessern; niemand schien ein Interesse daran zu zeigen, dass wir unseren Zusammenhalt nicht verloren hatten, ganz gleich, wie sehr wir auch darauf aufmerksam machten – vielleicht waren wir nur nicht auffallend genug gewesen. Jetzt aber war der ultimative Notfall eingetreten, der Kitt zwischen uns beiden hatte seine Wirkung verloren, und wir waren uns sehr unsicher, ob dieser Schaden reparabel war. Im momentanen Zustand würden die Teile unseres Zusammenseins noch passen, doch je länger wir getrennt waren, desto mehr war davon auszugehen, dass einzelne Stränge verkamen, sodass die Enden nicht mehr verflochten werden konnten, da wir uns beide, getrennt voneinander, sicherlich anders entwickeln würden, als wenn wir zusammengeblieben wären. Diese elementare Angst umtrieb uns, gebar unsere Ängste und ließ jede Sorge real werden, die wir uns in unseren dunkelsten Stunden ausmalten.
Dann aber kehrte das Licht in unsere Verbindung zurück – oder vielmehr die erneute Zweisamkeit –, denn von dem einen auf den anderen Moment wurden wir entdeckt, unser Auseinanderbrechen bedauert, ehe der abgebrochene und auf den Boden gefallene Teil, mit Sekundenkleber beträufelt, fest an den anderen gedrückt wurde, um den entstandenen Schaden zu reparieren und die alte Verbindung wiederherzustellen.