Braucht mich die Welt?
[Kurzgeschichte, veröffentlicht im Literaturautomat]
Braucht mich die Welt?
Braucht mich die Welt eigentlich? Eigentlich schon! Oder?! Angenommen, sie braucht mich – warum braucht sie mich? Das allein ist schon eine schwere Frage, angesichts von über sieben Milliarden Menschen. Braucht die Welt überhaupt einen dieser sieben Milliarden Menschen oder könnte sie auch ohne einen einzigen Menschen auskommen? Sicherlich, denn das hat sie über Milliarden von Jahren geschafft – also warum sollte sie es nicht wieder schaffen? Das bedeutet für mich aber auch, dass nur die Menschen mich brauchen. Vielleicht?! Brauchen sie mich wirklich? Wenn ich mich so umsehe, brauchen mich nur wenige Menschen! Im Vergleich zu den sieben Milliarden Menschen brauchen mich nur wenige. Für die wenigen bin ich jedoch wichtig. Das weiß ich, das spüre ich. Brauchen sie mich aber? Natürlich ist es so, dass das Gebrauchtwerden aus einer gewissen Wichtigkeit abgeleitet werden kann. Dann aber stellt sich gleich wieder die Frage, ob dieses Gebrauchtwerden eine notwendige Bedingung ist. Was wäre, wenn ich nicht existieren würde? Würden die Menschen, denen ich wichtig bin, ihr Leben nicht leben können, nur weil ich nicht bin? Wahrscheinlich, nein, höchstwahrscheinlich nicht! Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass das Leben derjenigen, denen ich wichtig bin, auch ohne meine Existenz in normalen Bahnen laufen würde – sie wüssten ja nichts von meiner Existenz und könnten dann auch nichts vermissen. Wie ich auch keinen zweiten Bruder vermisse, weil es ihn einfach nicht gibt! Aber was wäre mein Leben, wenn ich einen zweiten Bruder hätte? Würden die Menschen, für die ich wichtig bin, mich nicht als wichtig empfinden, weil mein nicht vorhandener zweiter Bruder in meine Fußstapfen treten würde, sodass ich unwichtig werde? Oder unwichtig bin?! Oder sein werde?! Also gut, von der Welt werde ich nicht gebraucht, von den Menschen in meiner Umgebung auch nicht wirklich – trotz dessen, dass ich ihnen wichtig bin – weil ich existiere –, und wenn ich mir meinen Hund anschaue, dann bin ich mir auch sehr sicher, dass ich ihm zwar unendlich wichtig bin, er aber auch zu einem anderen Herrchen genügend Vertrauen aufbauen könnte. Ist also alles Zufall? Meine Geburt, mein Leben, meine Wichtigkeit als Mensch, mein Menschsein generell, meine Interaktion mit anderen Menschen und der Welt? Hat es irgendeine Wichtigkeit, wie ich mich verhalte? Was, wenn ich mich so verhalten würde, dass mich niemand braucht? Wenn ich mich wie einer verhalte, dem die Welt und die Menschen egal sind, der nur seinem eigenen Vorteil nachjagt, den puren Egoismus lebt? Den Lauf der Welt würde es nicht verändern, auf keinen Fall. Den Lauf der Dinge innerhalb des Personenkreises, der mich als wichtig erachtet – da würde es Veränderungen geben, klar. Aber aus einer bereits entstandenen Situation heraus! Wenn es diese nicht gäbe, wenn ich nicht ich wäre, sondern ein purer Egoist? Meine Eltern würden sich vielleicht für mich schämen, mich ausstoßen, mich vergessen. Und dann?! Dann würde ich wahrscheinlich feststellen, dass ich die Welt und die Menschen darin brauche. Wie die anderen Menschen, denen ich wichtig bin, mich dann doch brauchen. Weil es einen Unterschied macht! Einen gewichtigen!